Kann ich auch ohne Titel räumen?

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Wenn Sie eine Räumungsklage einleiten wollen, sind in der Regel bereits mindestens zwei Monatsmiete an Mietrückständen aufgelaufen (es sei denn, die Kündigung erfolgte wegen Fehlverhaltens des Mieters, dazu finden Sie einen Beitrag hier). Die Erfahrung zeigt, dass oftmals auch während der Dauer der Räumungsklage keine Miete gezahlt wird. So können schnell Rückstände, die einer Jahresmiete entsprechen, zusammenkommen. Zudem ist eine Räumungsklage verhältnismäßig teuer, die Kosten liegen in der Größenordnung von weiteren 3-4 Monatsmieten. Einige unserer Mandanten fragen an, ob es keine günstigere – legale – Variante für eine Räumung gibt. Die Antwort: Leider NEIN.

Keine „Selbstjustiz“!

Zwecks Einsparung von Kosten und Zeit mag man statt einer Räumungsklage an informelle Maßnahmen wie den Austausch des Schlosses zur Aussperrung des Mieters und anschließendes Ausräumen der Wohnung denken. Von einem solchen Vorgehen müssen wir abraten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VIII ZR 45/09) stellt die eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung eine unerlaubte Selbsthilfe dar, für deren Folgen der Vermieter verschuldensunabhängig haftet. a) Gegen die eigenmächtige Inbesitznahme der Wohnung kann sich der Mieter durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Zugang zur Wohnung relativ einfach wehren. Einem derartigen Antrag wird in aller Regel stattgegeben, und der Vermieter hat dem Mieter nicht nur den Besitz an der Wohnung wieder einzuräumen, sondern auch die Verfahrenskosten zu tragen. b) Ebenso muss der Vermieter dem Mieter alle diesem entstandene Schäden ersetzen, also z.B. die Hotelübernachtung, wenn er von der von ihm angemieteten Wohnung ausgeschlossen worden ist. c) Wenn der Vermieter die Wohnung bereits ausgeräumt hat und der Mieter behauptet, bestimmte Sachen würden fehlen oder seien beschädigt, so muss der Vermieter sich entlasten und nachweisen, dass keine Sachen des Mieters beschädigt oder abhanden gekommen sind. d) Der Vermieter hat also bereits bei rein zivilrechtlicher Betrachtungsweise ein beträchtliches Haftungsrisiko. Darüber hinaus ist denkbar, dass der Mieter Strafanzeige gegen den Vermieter z.B. wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung stellt.

Auszug des Mieters ohne Schlüsselübergabe

Der obige Grundsatz, dass eine eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung eine verbotene Selbsthilfe ist, gilt im Grundsatz auch dann, wenn der Mieter bereits ausgezogen ist, aber seine Sachen in der Wohnung belassen und die Schlüssel nicht übergeben hat. Oft ergeben sich Konstellationen, in denen beispielsweise:
  • der Mieter seit Wochen nicht mehr gesehen wurde,
  • die Tür nicht abgesperrt ist,
  • der Mieter angekündigt hat, dass er ausziehen will,
  • der Mieter seine Einrichtungsgegenstände (weitestgehend) aus der Wohnung geräumt hat,
Auch in solch einem Fall ist der Vermieter gehalten, den Klageweg zu beschreiten und die Wohnung durch einen Gerichtsvollzieher räumen zu lassen. Wenn alle Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Mieter den Besitz an der Wohnung aufgegeben hat und ausgezogen ist und der Vermieter die Wohnung selbst in Besitz genommen hat, muss sich der Vermieter bewusst sein, dass ihn in solch einem Fall besondere Obhutspflichten treffen (und er – siehe oben – ) verschuldensunabhängig für einen dem Mieter entstandenen Schaden haften könnte. Eine Fehleinschätzung der Sachlage, wenn der Mieter also den Wohnungsbesitz doch noch nicht aufgegeben hat, geht zu Lasten der Vermieters. Falls der Mieter Schadensersatz geltend macht, muss nicht er seinen Schaden beweisen (was normalerweise der Fall ist), sondern der Vermieter der verbotene Eigenmacht begangen hat muss sich entlasten. Falls sich der Vermieter dennoch dazu entschließt, die Wohnung in Besitz zu nehmen, sollte der Zustand der Wohnung – so der BGH – bei Inbesitznahme sorgfältig dokumentiert werden (z.B. durch Filmen der Inbesitznahme und der vorgefundenen Gegenstände; eine aktuelle Tageszeitung sollte auf den Bildern ebenfalls erkennbar sein). Es sollte ein Verzeichnis der in der Wohnung vorgefundenen Gegenstände und deren Zustand gefertigt werden, und nebst Wertschätzung im Verzeichnis notiert werden. Die Inbesitznahme sollte im Beisein eines Zeugen erfolgen, der eine Abschrift des Bestandsverzeichnisses abzeichnet. Die Gegenstände von Wert sind sicher aufzubewahren, um diese dem Mieter später aushändigen zu können. Sie sehen: Die eigenmächtige Inbesitznahme der Wohnung ist für den Vermieter daher in jeder Hinsicht ein riskantes Unterfangen.     Disclaimer Bitte beachten Sie, dass unsere Beiträge nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig zusammengestellt sind. Es kann aber kein Anspruch auf Vollständigkeit und Ausschließlichkeit der Inhalte gestellt werden. Die zur Verfügung gestellten Informationen ersetzen keine individuelle juristische Beratung. Sie sind unverbindlich und nicht Gegenstand eines anwaltlichen Beratungsvertrages. Es wird keine Gewähr dafür übernommen, dass im Streitfall den hier dargestellten Ansichten gefolgt wird. Eine Haftung für die veröffentlichten Inhalte wird daher nicht übernommen.
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